Liebe Mannheimerinnen und Mannheimer, liebe Teilnehmende aus der ganzen Region,

heute ist der 10. Tag des furchtbaren Angriffskrieges Putins auf die Ukraine. Putins Armee greift unablässig die ukrainischen Städte an, während das ukrainische Volk mit unbändigen Mut ihre Demokratie und Freiheit verteidigt. Wir schauen auf diese beispiellose, unprovozierte, völkerrechtswidrige Aggression Putins und fragen uns, wie wir damit umgehen sollen. Die Welt ist eine andere. Es ist wahrliche eine Zeitenwende, die uns abverlangt vieles zu hinterfragen, woran wir lange geglaubt haben.

Viele Menschen in Deutschland, viele Menschen in meiner Partei, viele Menschen hier auf diesen Platz haben sich Jahrzehnte für Frieden engagiert. Für einen Frieden gemeinsam mit Russland. Diese Bemühungen, das will ich ganz deutlich sagen, waren nicht naiv oder vergebens, nur weil Putin sie jetzt zurückgeschlagen hat und glaubt, seine Großmachtansprüche über das Selbstbestimmungsrecht der Völker setzen zu können. Eine internationale Ordnung, in der keine Regeln, sondern nur noch das Recht des Stärkeren gilt, dürfen wir niemals akzeptieren. Unsere regelbasierte Friedensordnung zu verteidigen, setzt jedoch auch eigene Stärke voraus. Innere Stärke unserer Demokratie und Gesellschaft, aber auch die äußere Stärke uns gegen Angriffe verteidigen zu können. Dies zu erkennen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, das fordert diese Zeitenwende von uns.

Ich verstehe auch, nicht zuletzt durch die Geschichte meiner Familie in Chile, dass manche auf die Fehler des Westens verweisen. Auch ist die NATO nicht unschuldig. Ich verstehe das so gut, weil meine Geschichte davon Zeugnis ist. Mein eigener Großvater, die demokratisch gewählte Regierung Allendes, wurde in einem von der CIA mitfinanzierten und mitorganisierten Militärputsch mit Gewalt aus dem Amt gezwungen. Daraus erwächst aber für mich kein pauschales, antiwestliches Ressentiment, sondern die Pflicht, Demokratie zu schützen und wehrhaft zu machen. So wie es im kalten Krieg falsch war, die Welt in Einflusssphären zu teilen, ist es immer noch falsch, dies als Rechtfertigung für Putins brutalen Angriffskrieg zuzulassen.

Aus meiner Geschichte, aus unserer Deutschen Geschichte erwächst deshalb die Pflicht, den mutigen Kampf der Ukrainer, die nicht aufhören werden für ihre Freiheit zu kämpfen, nicht nur mit Worten zu unterstützen, sondern mit harten Wirtschaftssanktionen und auch mit defensiven Waffen, um sich gegen die russischen Angriffe zu wehren. Zur Wahrheit, der wir uns stellen müssen, gehört auch, dass unsere eigene Wehrhaftigkeit angesichts dieser Bedrohungslage nicht ausreichend ist. Wir wollen Frieden, aber den kann es nicht ohne Sicherheit geben. Sicherheit für uns, Sicherheit für unsere Partner in Osteuropa.

Wenn wir die Bilder der flüchtenden Menschen sehen, ist unser Herz voll – aber unser Kopf muss dennoch klar bleiben. Deutschland und die NATO dürfen und werden sich nicht in diesen Krieg mit hineinziehen lassen, denn die Auswirkungen davon wären verheerend jenseits jeder Vorstellungskraft. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen viele schlimme Bilder sehen und dennoch einen kühlen Kopf bewahren müssen.

Auf Aggression antworten wir mit Solidarität und die ist hier in überwältigenden Maße vorhanden. Unsere Solidarität muss sich auch auf unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger russischer Herkunft erstrecken, sowie auf das russische Volk. Lassen wir uns nicht auseinander dividieren. Wir haben in Mannheim unsere Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt, die gerade in diesen schweren Zeiten gelebt werden muss. Ich möchte mit Helmut Schmidt schließen und sagen: „In der Krise beweist sich der Charakter.“ Zeigen wir, dass unser Charakter ein toleranter, ein mitfühlender, ein solidarischer ist. Das ist wahrhaftige Stärke.

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